Textile Begegnungen
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- 3. Juli
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Textilkunst ist vielfältig, doch Fäden verbinden. Vom 11. Juli bis 3. August 2025 begegnen sich in der Galerie 710 in Winterthur Arbeiten von Christiane Ghilardi und Christine Läubli. Beide Künstlerinnen arbeiten mit textilen Materialien und Techniken.

Christiane Ghilardi wurde 1956 in Hamburg geboren und lebt seit Mitte 1998 in Winterthur. Der Spannungsbogen zwischen Zufall und Kalkül fasziniert die experimentierfreudige Künstlerin immer wieder aufs Neue. In ihrer künstlerischen Umsetzung nimmt sie Bezug auf gesellschaftliche und persönliche Fragen. Ihre Werke kreisen um Tiere, Pflanzen, Ökologie und Bewegung. Im Mittelpunkt steht oft das Nutztier Kuh.
Christiane Ghilardi arbeitet mit Ready-mades, Objets trouvés, Kuhhörnern, Kuhklauen, Textilien, Leder, Fell, PET und kombiniert szenische Blindzeichnungen mit Stickarbeiten. Sie verzichtet weitestgehend auf den Neukauf von Material, sondern arbeitet mit bereits Bestehendem – möglichst ohne den Einsatz von maschinellen Hilfsmitteln. Oft werden auch eigene Werke in einen anderen Kontext gesetzt und neu interpretiert.

Für die Ausstellung «Textile Begegnungen» in der Galerie 710 kann Christiane Ghilardi ihrem Credo, möglichst nichts Neues für ihre Arbeiten zu kaufen, treu bleiben. Ihr schenkten Freunde und Bekannte alte Leinennachthemden, Bettlaken, Gardinen und so weiter. Bei Brockenhausbesuchen oder auf Flohmärkten fand sie das eine oder andere im weitesten Sinne Textile, das sie verarbeiten konnte. Ergänzende Fundstücke aus Abfallmulden oder vom Wegesrand kamen zum Einsatz. Dieses Gefundene ist oft nicht das ideale Ausgangsmaterial: Es ist alt, abgenutzt, hat Fehler. Das Leben hat eben seine Spuren hinterlassen. Aber genau das reizt die Künstlerin, sich damit auseinanderzusetzen, und daraus Neues zu erschaffen.

Nicht Textiles verarbeitet die Künstlerin mit textilen Techniken: Sie häkelt Objekte aus PET-Flaschen, strickt mit Papierdraht oder verfilzt die eigenen gesammelten Haare.
Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit korrigiert Christiane Ghilardi Geschriebenes: Künstlerbiografien, Vernissagen- und Broschürentexte, Diplom- und Masterarbeiten sowie Dissertationen oder schreibt selbst. Zudem berät sie bei Dossierfragen und organisiert Ausstellungen. Seit 2009 leitet sie die Geschäftsstelle der Künstler:innengruppe Winterthur, ist Mitglied und im Vorstand der Gruppe. Zudem ist sie im Vorstand bei Café des Arts Winterthur und Partnerin bei kunstweise.ch und engagiert sich für Geflüchtete.

Zu Christiane Ghilardis Arbeiten gesellen sich solche von Christine Läubli. Auch sie arbeitet mit Up-Cycling – im Moment sind es alte Zeitungen. Die herrschende Weltlage weckt das Bedürfnis zu flicken und zu heilen. Flickend bessert man aus, man verbessert etwas, man «heilt» das Kaputte. Christine Läubli nimmt Bezug auf Flicktechniken aus Japan und Indien bzw. Bangladesch, die dort als heilend gelten. (Siehe Blog alles hat seine zeit)

Zeitungen stehen als Symbol für die Zeit an sich oder auch für die Nachrichten, die uns jeden Tag ins Haus flattern. Für diese Arbeit wurden Zeitungsstreifen am Spinnrad verdreht, dann verstrickt und das Produkt verformt. So entstand drei Objekte, deren Inneres immer neue Nachrichten ausgespuckt…

Die Ausmasse der Halle 710 erlauben es, noch einmal die grossen Knüpfarbeiten aufzuhängen, die in der Landart Engelberg 2023 zu sehen waren. Damals hingen sie zwischen Bäumen, in der alten Industriehalle bekommen sie eine andere Aussage. (Siehe Blog öppis mal öppis) Dazu passend entstanden für diese Ausstellung kleine Versionen aus selbst gedrehten Zeitungsfäden. Die Nachrichten des Tages sind in jedem dieser Objekte anders verknüpft und werfen Schatten – zauberhaft oder hintergründig?
Die textile Begegnung in der Halle 710 in Winterthur bringt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zusammen und lädt dazu ein, die Textilkunst aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. An der Finissage lesen die beiden Künstlerinnen eigene und fremde «fädige» Texte. Die etymologische Wurzel des deutschen Wortes «Text» liegt im lateinischen «textus», was deutsch Gewebe heisst. Das Verb dazu ist «texere» – dt. weben flechten. Zwei Textilkünstlerinnen begegnen sich in ihren Arbeiten, und am Ausstellungsende verweben sich Wörter und Fäden zu Lesestoff.
Texte und Fotos: Christiane Ghilardi und Christine Läubli
Informationen:
Textile Begegnungen
Christiane Ghilardi und Christine Läubli
Galerie 710
Barbara-Reinhart-Strasse 21 (Halle 710, Eingang West), 8404 Winterthur
11. Juli bis 3. August 2025
Vernissage: 10. Juli 2025, 17-19 Uhr
Finissage: 3. August, 14-17 Uhr
15 Uhr: Die Künstlerinnen lesen fremde und eigene fädige Texte
Öffnungszeiten: Freitag, 17-19 Uhr, Samstag, Sonntag: 14-17 Uhr
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