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Olga Titus – Das ausgebrochene Pixel


Olga Titus’ Werke kippen von einem Zustand in einen anderen. Unbekümmert und souverän switcht die Künstlerin zwischen digital und analog, Handwerk und Hightech, Zwei- und Dreidimensionalität und unzähligen Farbnuancen.







Im Gewölbekeller des Kunstmuseums Thurgau hat Olga Titus eine geheimnisvolle Welt aufgebaut. Ein subtil wechselndes Licht durchläuft den Farbkreis und macht die Installation lebendig. Auf riesigen Wandtapeten entdeckt man Landschaften, üppig pralle Früchte und märchenhafte Pilze. Ein kleiner Pandabär blickt nachdenklich über einen Fluss. An bestimmten Stellen scheinen die Pixel auszubrechen, die Landschaft zerfliesst. In der Mitte des Saales stehen gesteppte, mit feinen Stoffen bezogene, baumartige Gebilde. Die zarte Geräuschkulisse mit Vogelgezwitscher, Wassergeplätscher und meditativen Klängen unterstreicht die Fantasiereise. Von hoch oben sieht sich ein kaleidoskopisches Auge diese Welt aus der Vogelperspektive an – bewachend, beurteilend oder eher die Schönheit bewundernd und ergänzend?


Im Vorraum der Grotte ist die Ausstellung ganz klassisch aufgebaut, man geht von Bild zu Bild. Die konventionelle Präsentation entpuppt sich aber schnell als trügerisch, ungeahnte Räume öffnen sich. Eine Serie von Lentikulardrucken erinnert an jene Postkarten aus alter Zeit mit touristischem Kitsch und Pinup-Girls, die je nach Kippung des Kartons verschiedene Bilder ermöglichten. Bei Olga Titus schweben Linien oder Lianen durch den Raum, man sieht Traum- und Unterwasserwelten – oder was immer man assoziieren möchte. Für einen kleinen Jungen, der die Ausstellung mit seinen Grosseltern besuchte, war klar: «Das ist Pokémon ...»


Daneben hängen riesige Paillettenstoffe, wie wir sie im Kleinformat von Kinder-T-Shirts kennen: Je nach der Richtung, in der man die Pailletten streicht, entsteht ein anderes Bild. Olga Titus bringt die heutige Massenware in die Kostbarkeit zurück. Und wenn es einen reizt, das Bild anzutippen und mit den Fingerbeeren die Pailletten umzukippen (was natürlich streng verboten ist), befindet man sich weit weg vom Digitalen zurück im Haptischen.


Auch die letzte Arbeit in diesem Ausstellungsraum erinnert an die Kindheit, an damals, als wir Metallsterne ausschnitten, in die wir mit dem Kugelschreiber kleine Muster prägten. Olga Titus Aluminium-Bilder scheinen wie Kultobjekte aus alten Tempeln zu stammen. Das Auge wandert durch den Bildraum und nimmt war, was die Assoziation einflüstert. Aus einem alltäglichen Material macht die Künstlerin wiederum etwas Kostbares.



Im Obergeschoss läuft ein Video in Endlosschlaufe, in dem Olga Titus Träume, Konsum, Tourismuskitsch, Erinnerung und Realität zum Kaleidoskop verdichtet. Die filmische Geschwindigkeit ist rasch, die Konzentration gefordert. Trotzdem dringen Bilder ein, und witzige Einzelheiten bringen zum Schmunzeln.




Mit jedem Werk stellt Olga Titus unsere festgefügten Vorstellungen in Frage. Sie verbindet ohne Berührungsängste Kulturen aus aller Welt zum neuen, fantastischen Kosmos. Die Wurzeln der Künstlerin liegen in Graubünden, Malaysia und Indien – vielleicht ermöglicht ihr dies, mit solch spielerischer Offenheit Kontinente zu verbinden. Auf dem Weg zum Ausgang passiert man die kleine Klosterkirche der Kartause Ittingen. Überrascht findet man in deren barocken Ausstattung eine ältere, aber ebenso opulente, üppige Welt, die wunderbar zum Werk von Olga Titus passt.


Text: Christine Läubli unter Verwendung des Saaltextes


Infos:

Olga Titus: Das ausgebrochene Pixel

bis 15. Dezember 2024, Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen, CH 8532 Warth

Öffnungszeiten: 1. Mai bis 30. September, täglich 11 –18 Uhr

1. Oktober bis 30. April: Montag bis Freitag 14 – 17 Uhr, Samstag, Sonntag und allgemeine Feiertage 11 – 17 Uhr


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