Wenn ich ein verletztes Kind tröste, puste ich auf die Wunde und sage ein Sprüchlein auf. Lange Zeit tat ich es ohne nachzudenken, aber irgendwann fragte ich mich nach den Hintergründen. Ich begann zu recherchieren, zu lesen und zu sammeln, fand viele Wund- und Blutsegen aus alter Zeit und stickte eine Auswahl davon auf 24 mehr oder weniger ramponierte Taschentücher.
Bevor die Medizin zuverlässige Mittel für die Heilung von Verletzungen zur Verfügung hatte, behalf man sich mit der Besprechung der Wunde. Blut- und Heilsegen gehören zu den frühesten Zeugnissen der deutschen Sprache. Einzelne gehen auf das Germanentum zurück. Mit der Verbreitung des Christentums ersetzte man die germanischen Gottheiten einfach durch christliche Heilige. Sich gleichende Wortlaute gibt es sowohl im deutschen Sprachraum wie auch in Skandinavien, den Niederlanden und Grossbritannien. Mit der Zeit veränderten sich die Sprüche, das Spiel mit der Sprache wurde wichtiger als der Inhalt.
Die Merseburger Zaubersprüche sind die einzigen althochdeutschen Texte mit rein heidnischem Inhalt. Sie finden sich in einer Schrift aus dem 9. Jahrhundert. Der zweite Spruch ist vermutlich sehr alt und muss in der germanischen Welt weit verbreitet gewesen sein. Die Geschichte wurde variiert und man entwickelte entsprechende Rezepte. Im deutschen Sprachraum hielt sich vor allem der Reim «Stein / Bein» hartnäckig.
Die Gruppe der Jordansegen bezieht sich auf die Legende, dass der Fluss während der Taufe Christi stillgestanden sei. Dieses Element übertrug man auf das Blut, das stillstehen sollte.
Der Bamberger Blutsegen stammt aus dem 13. Jahrhundert. Der Satz « Das war eine sehr gute Stunde» verselbständigte sich und wurde sehr beliebt.
Segen mit drei Frauen gehen wohl auch auf die germanische Mythologie zurück (Nornen, Walküren). Meist beginnen sie wie ein Volkslied mit einer Art Eingangsgeschichte. Darauf folgen drei Verse mit dem eigentlichen Anliegen. Es gibt viele ähnliche Segen, die von drei Blumen oder drei Bäumen handeln, manchmal vermischen sich die Motive.
Auf dem Hintergrund all dieser Segen entwickelten sich wohl die Kinderverse, die wir heute noch aufsagen. Es sind scherzhafte Nachklänge, die sich im deutschen Sprachraum in vielen unterschiedlichen Varianten finden. Oft hat der Reim einen entscheidenden Einfluss auf den Spruch.
Als die Industrialisierung die billige Herstellung von Stoff ermöglichte, wurde das Taschentuch zum Alltagsgegenstand. Es diente den unterschiedlichsten Zwecken, unter anderem auch als Schnellverband für kleine Wunden. Mit der Erforschung der Bakterien geriet das Stofftaschentuch in Verruf und wurde im 20. Jahrhundert weitgehend vom Papiertaschentuch abgelöst.
Text und Bilder: Christine Läubli
Quellen:
Oskar Ebermann: Blut- und Wundsegen in ihrer Entwicklung dargestellt, 1908
Die Merseburger Zaubersprüche
Das Romanus-Büchlein
Internet
Die ganze Arbeit ist für Fr. 25.- plus Fr. 5.- für Porto und Verpackung als Broschüre erhältlich: chr_laeubli@hotmail.com
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