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Zwischen Faden und Erinnerung

  • ml
  • vor 8 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Bis am 21. September 2025 ist im Musée d’Art et d’Histoire in Freiburg (MAHF) die Ausstellung «In the Light» der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota zu sehen. Bea Bernasconi hat sie sich angesehen und berichtet:


Schon lange wollte ich die Arbeiten von Chiharu Shiota live erleben. Besonders ihre spektakuläre Installation im Grand Palais in Paris hatte es mir angetan – doch wie so oft kam mir das Leben dazwischen. Umso größer meine Freude, als ich entdeckte, dass eine Ausstellung der japanischen Künstlerin für Mai 2025 in Freiburg geplant war. Der Termin landete sofort in meinem Kalender. Und nicht nur das: Ich nutzte die Gelegenheit, um eine liebe Freundin wiederzutreffen, die ebenfalls Textilschaffende ist.


Als wir in Freiburg ankamen, goss es in Strömen. Zum Glück war der Weg vom Bahnhof zum Musée d’Art et d’Histoire kurz. Vor Ort standen wir zunächst ratlos vor einer großen weißen Wand mit einem Manifest – keine Spur von Kunst. Erst als wir nähertraten, öffnete sich wie von Zauberhand eine riesige automatische Tür, die den Blick auf das Innere der Ausstellung freigab.

Und dann: ein rotes Wunderwerk. Ein ganzer Raum durchzogen von roten Fäden, ein dichtes Netz aus Wollgarn, das sich wie eine begehbare Gedankenwelt spannte. Mittendrin allerdings – ein Mann am Telefon. Er störte nicht nur die Ruhe des Raums, sondern ruinierte auch mein Foto von der Gesamtinstallation. Also begann ich, mich langsam durch die Installation zu bewegen, Detailaufnahmen zu machen, zu beobachten, zu atmen. Ich dachte, er würde sicher bald verschwinden.

Stattdessen kamen weitere Besucher, darunter Kinder, die sich von dem raumfüllenden Fadennetz magisch angezogen fühlten – verständlich, aber in dieser sensiblen Umgebung auch eine kleine Herausforderung. Die Kinder haben den Raum ziemlich schnell verlassen. Der Mann verlegte seinen Platz schließlich an den Eingang. Leider immer noch mitten im Bild.


Gesamtansicht vom Eingang aus
Gesamtansicht vom Eingang aus

Kurzentschlossen sprach ich ihn auf Französisch an: „Sind Sie vom Museum?“ – Ja, das war er tatsächlich. Und er war äußerst auskunftsfreudig. Ich fragte ihn, wie lange der Aufbau der Installation gedauert habe. Seine Antwort überraschte mich: „Die Arbeit an der Installation dauerte drei Wochen. Chiharu Shiota selbst war nicht vor Ort. Stattdessen wurde das Werk von ihrem technischen Team, Mitarbeitenden des Museums und engagierten Freiwilligen umgesetzt – insgesamt etwa 17 Personen. Mehr als 130 Kilometer rotes Garn wurden dafür vernetzt." Auf meine Frage, ob es eine konkrete Zeichnung oder einen Plan gegeben habe, sagte er nur: „Die Techniker wissen, was zu tun ist.“

Ein Teil von mir war enttäuscht. Ich hatte erwartet, dass Shiota selbst Hand anlegt – doch vielleicht ist gerade dieses Loslassen ein Teil ihres Konzepts. Die Wirkung der Installation jedenfalls war ungebrochen: überwältigend, zart, intensiv. Ich war froh, gekommen zu sein.


Im oberen Stockwerk warteten noch drei weitere Werke der Künstlerin auf uns, allerdings habe ich von diesen keine Fotografien gemacht.

Für alle, die Shiotas Werk noch nicht kennen: Die 1972 in Osaka geborene Künstlerin lebt und arbeitet seit 1997 in Berlin. Ihre Kunst verbindet Fäden, Performance, Body Art und Installation – immer mit einem starken Fokus auf dem menschlichen Körper und seinen Erinnerungen. Sie arbeitet mit Alltagsgegenständen wie Schlüsseln, Stühlen, Kleidern oder Betten, die sie mit dichten Netzen aus Fäden umhüllt. So entstehen poetische Bilder für Erinnerung, Verlust und das Unsichtbare zwischen uns. Ein zentrales Thema ihrer Arbeiten ist das Gefühl von „Anwesenheit in der Abwesenheit“. Wer sich für Textilkunst, Installationen oder emotionale Raumerfahrungen interessiert, sollte die Gelegenheit nicht verpassen, in die poetische Welt von Chiharu Shiota einzutauchen.


Text und Fotos Bea Bernasconi

 

Informationen:

MAHF Museum für Kunst und Geschichte

Chiharu Shiota

In the Light

15.05 – 21.09.2025

Rue de Murat 12 und Rue de Murten 2


Öffnungszeiten

Montag: geschlossen

Dienstag-Mittwoch: 11:00-18:00

Donnerstag: 11:00-20:00

Freitag-Sonntag: 11:00-18:00

 

 

 

 

 

 
 
 

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