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Das 100-Tage-Projekt: Mein kreativer Alltag

  • ml
  • vor 5 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Ich gebe es zu – das tägliche kreative Werken fällt mir nicht immer leicht. Oft fehlt einfach die Zeit, die ich dafür bräuchte. Doch dann kommt immer wieder diese rettende Idee: ein Projekt, das mich herausfordert, und die feste Absicht, regelmäßig daran zu arbeiten. Nach dem Sticken eines kleinen Leporellobüchleins im Januar entschloss ich mich, am weltweiten 100-Tage-Projekt (#the100dayproject auf Instagram oder Facebook) teilzunehmen. Diese globale Initiative bringt jedes Jahr Tausende kreative Menschen zusammen. Die Teilnahme ist kostenlos, und alle können mitmachen – ob beim Zeichnen, Malen, Nähen, Fotografieren oder Singen. Der Starttermin ist vorgegeben, und los geht's! Neugierig und motiviert wollte ich mich selbst herausfordern: 100 Tage lang täglich kreativ sein.

Meine Vorbereitung war gut organisiert. Ich erstellte eine Liste all meiner kreativen Interessen – und war von der Vielzahl der Möglichkeiten regelrecht überfordert. Also entschied ich mich, es einfach zu halten: Eine kleine Schachtel mit allem nötigen Material sollte mich durch das Projekt begleiten – ob im Zug oder Auto, alles griffbereit. Zwei Wochen vor dem Starttermin, dem 23. Februar, war ich bereit.


Die Schachtel für mein ursprüngliches Projekt
Die Schachtel für mein ursprüngliches Projekt

Mein Plan: Schwarz-weiß gestickte Porträts von Menschen aus meinem Alltag. Doch wie das Leben so spielt, kam alles anders. In unserem Büro zu Hause fiel ein Stück Decke herunter, und ich musste wegen Renovierungsarbeiten den Raum räumen. Beim Ausmisten – nach dreißig Jahren sammelt sich einiges an – stieß ich auf alte Bücher, Briefe und Schriften, die ich 2009 während der Renovierung unseres Hauses in der Leventina gesammelt hatte. Ja, ich gebe es zu – ich bin eine leidenschaftliche Sammlerin!

 



Die Sammlung alter Bücher
Die Sammlung alter Bücher

In der Wartezeit vor dem Start des 100-Tage-Projektes begann ich, die alten Bücher durchzublättern. Besonders ins Auge fielen mir italienische Grammatikbücher mit handschriftlichen Notizen. Spontan entstand die Idee, eines dieser Bücher in ein Künstlerbuch zu verwandeln – mit Collagen aus Papier und Stoff, die ich besticken oder benähen könnte. Ich durchforstete meine Papiersammlung und meine nie entsorgten Stoffreste. Schnell klebte ich die erste Collage – und mein 100-Tage-Projekt hatte sich geändert. Nur – dieses Projekt passte definitiv nicht mehr in meine kleine blaue Schachtel.





Drei grosse Schachteln anstatt einer kleinen
Drei grosse Schachteln anstatt einer kleinen

Das Besticken der Collagen war komplizierter als gedacht. Das alte Papier war dünn und zerbrechlich, der Faden zerriss es leicht. Zur Stabilisierung musste ich zum Teil Krepppapier auf die Rückseiten kleben. Die Originalbindung nahm ich auseinander, um Doppelseiten zu erhalten.

Was als kleines, tägliches Vorhaben gedacht war, wurde deutlich anspruchsvoller. Mein Ziel, jeden Tag eine Seite zu gestalten, war zu ehrgeizig. Ich hatte gehofft, täglich eine halbe Stunde zu schaffen – aber oft brauchte ich viel länger. Außerdem war es unterwegs schwer, alles nötige Material dabeizuhaben.

„Aber was soll's – A gesagt, dann sage ich auch B!“, dachte ich. Anfangs hielt ich den Rhythmus gut ein. Doch bald kam der Alltag dazwischen: Reisen, Termine – der Druck wuchs. Also änderte ich meine Taktik: Ich bereitete Collagen vor, um sie später zu besticken oder zu nähen. So konnte ich auch unterwegs kreativ sein – mit einer kleinen Box voller Garn und vorbereiteten Seiten.

 

Unbestickt und bestickt
Unbestickt und bestickt

Am Ende schaffte ich in den 100 Tagen 66 komplett bestickte Seiten und 28 halbe Seiten mit Collagen. Die Doppelseiten klebte ich zusammen, um die unschönen Rückseiten zu verdecken und Stabilität zu gewinnen. Dann folgte das Binden der Sektionen – keine einfache Aufgabe für mich als Nicht-Buchbinderin. Schließlich gestaltete ich den Buchdeckel neu – das fertige Buch ist deutlich voluminöser als das Original.

 

Ein paar persönliche Gedanken: 

Die Online-Community war eine Bereicherung. Unter dem Hashtag #the100dayproject fand ich viele inspirierende Beiträge. @dothe100dayproject zeigte täglich ausgewählte Arbeiten in ihren Stories – allerdings nur, wenn man sich rechtzeitig anmeldete. Leider sind dadurch oft dieselben Künstler präsent. Weniger gefallen haben mir die vielen Newsletter, Podcasts und die zahlreichen kostenpflichtigen Workshop-Angebote. Aber das ist meine persönliche Meinung, ich bin an solchem weniger interessiert.

Was ich mitnehme: Das Projekt hat mir gezeigt, dass sich Kreativität in den Alltag integrieren lässt – ohne riesigen Zeitaufwand. Wer sich vorher überlegt, wie und wo das Projekt umgesetzt werden kann, spart sich viel Stress. Das Wichtigste: Es geht darum, mit Freude kreativ zu sein – ob man 100 Tage täglich

gestaltet oder nicht.

Ich bin zufrieden mit meinem Buch. Es war eine Herausforderung, meine Buchbindetechnik lässt sich sicher noch verbessern. Und vor allem habe ich erkannt: Wenn ich in meinem Atelier sitze und arbeite, dann „mache ich nicht nichts“, wie ich oft denke – ich bin kreativ, und das ist wertvoll.

Übrigens: Das ursprüngliche Vorhaben der schwarz/weissen Porträts habe ich auch angefangen und auch schon ziemlich viele Leute aus meinem Alltag gestickt, manchmal heimlich fotografiert, aber die meisten mit Erlaubnis.

 





Das fertige Buch
Das fertige Buch

Mehr Fotos und ein Video vom ganzen Buch gibt es auf meinem Instagram-Account @beatextile.











Text und Fotos: Bea Bernasconi

 
 
 

2 Comments


mail
vor 5 Stunden

Ich habe dein #100dayproject auf Instagram verfolgt und fand es sehr spannend - viele wunderbare Seiten / Collagen sind da entstanden! Interessant zu erfahren, wie die Idee zum Projekt entstanden ist und welche Erfahrungen du in den 100 Tagen gemacht hast. Ich hoffe, dass du nächstes Jahr auch wieder mitmachst...

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beabernasconi
beabernasconi
vor 12 Minuten
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Danke… ich werde es mir überlegen….😌

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