9. Europäische Quilt Triennale
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Bis am 14. September 2025 ist im Textilmuseum St. Gallen die 9. Europäische Quilt-Triennale zu sehen. Für die Ausstellung waren 133 Bewerbungen eingegangen, daraus wählte die fünfköpfige Jury 45 Objekte aus 11 Nationen aus. Vorgabe für die Bewerbung war lediglich technischer Art gewesen: Ein Quilt muss aus mindestens zwei Lagen bestehen, die durch Steppstiche verbunden sind; das Material ist flexibel, darf aber mit anderen Materialien ergänzt werden. Das Themenspektrum der Ausstellung ist vielfältig, viele Arbeiten behandeln zeitgenössische Probleme aus der Politik oder Umweltproblematiken.

Was würden wir ohne sie machen: die bunten Post-it-Kleber sind Alltagsbegleiter. Darauf notieren wir alles, was wir nicht vergessen wollen. Würden wir sie nach Gebrauch nicht achtlos wegwerfen, wären sie Fenster in die Vergangenheit, Speicher für all jene unspektakulären Momente, die unser Gedächtnis nicht aufbewahren will. Judith Mundwiler hat sie gesammelt und zu einem grossen Bild komponiert. Die lockeren Fadenschlingen der Nähmaschinentextur halten die Notizen zusammen, verbergen und lassen erahnen, was einmal wichtig war.

Man denkt sofort an den Norden. Und tatsächlich stammt der Quilt in den warmen, satten Farben von der Finnländerin Marita Lappalainen. Mit wenigen Flächen erzählt sie eine stille Geschichte. Elsbeth Nusser-Lampes Arbeit erinnert an japanische Kimonos. Wie zufällig sind Blumen und Gräser über den Stoff gestreut. Die einen blühen, die anderen verwelken – ein steter Kreislauf der Natur. Gleichzeitigkeit finden wir auch in Elisabeth Nacenta-de la Croix’s Quilt. Wenn die Sonne im Osten aufgeht, versinkt sie auf der anderen Seite der Erde hinter dem Horizont. Auch dieser zweiteilige Quilt strahlt eine grosse Ruhe aus und tröstet durch die immerwährende Schönheit von Sonne, Erde und Wasser.

Jeans sind die schlimmsten Umweltsünden der Textilherstellung. Gudrun Müller-Mollenhauer hat alte Denimhosen gesammelt, in Streifen zerschnitten, diese zusammengenäht und die entstandenen Flächen zu Reliefs geformt. Von tiefblau zu hell ausgewaschen – nur die Farben erinnern noch an die Herstellung und deren Chemie- und Wasserverschwendung. Ansonsten wirken die Reliefs ruhig und ästhetisch, als wären Jeans für die Ewigkeit gemacht.

Wird Seidenpapier geknüllt und gequiltet, bilden sich Höhen und Tiefen – optisch der Bindehautproblematik auf den meisten Damenoberschenkeln ähnlich. Birgit Reinken hat eine Art Buch gestaltet, auf dessen Seiten Orangen, Orangenblütenblätter, Frauenbeine und -silhouetten sowie Statements wie «ich will so bleiben wie ich bin» zu betrachten und zu lesen sind. Eine poetische Sichtweise auf ein Thema, von dem sich viele Frauen tyrannisieren lassen…

Vor wenigen Jahrzehnten dachten wir, die Demokratie setze sich als Regierungsform durch. Inzwischen hat sich die Lage dramatisch verändert. Anlässlich des 175jährigen Jubiläums der Paulskirche in Frankfurt schrieben Besucher mit rotem Stift Gedanken zur Demokratie auf Stoffstreifen. Gemeinschaftlich wurden diese Sätze und Statements mit rotem Faden nachgestickt. Die Künstlerin setzte sie schliesslich zum Quilt zusammen. Ein eindrückliches Manifest für die Demokratie!

Während des ganzen Lebens ist unser Hirn gefordert. Botenstoffe bestimmen Leistungsfähigkeit, Motivation, Stimmung, Nachrichten prasseln herein und müssen verdaut und verarbeitet werden. Monika Sebert übersetzte diese Herausforderung bzw. Überforderung in ein beeindruckendes Bild. Nicht bei allen Menschen ist das Gehirn ein ewig zuverlässiges Instrument. Ein beunruhigender Prozentsatz muss sich damit abfinden, dass sie allmählich die Fähigkeiten des Lebens verlieren und im Vergessen versinken. Nicht nur für sie, sondern auch für die Angehörigen ist die Krankheit Demenz dramatisch. Christa Ebert vergrub ein altes Leinentuch in der Erde und nähte das verschlissene Stoffstück auf eine tiefblaue Fläche – ein berührendes Bild.

Socken sind im Norden ein Symbol der Liebe. Wer ein paar Socken bekommt, weiss dies zu schätzen und benützt das Geschenk solange es geht. Maryte Collard gestaltete mit den stark geflickten Socken des Vaters ihrer Schwiegertochter ein Triptychon der Liebe. Wie ein Altarbild zelebriert der Quilt die alten Socken. Montiert sind sie auf einem pflanzen- und rostgefärbten Schal, gequiltet mit japanischen Flicktechniken. Kleine Verzierungen wie Blätter, Blüten oder Spiralen schmücken den Untergrund.

Leider wurde der 9. Quilt-Triennal nur ein einziger Saal zur Verfügung gestellt, so dass die Quilts dicht an dicht hängen. Trotzdem ist die Gesamtpräsentation gelungen, die Arbeiten sind gut aufeinander abgestimmt und strahlen Ruhe aus. Auch diese Quilt-Biennale überzeugt mit einer hohen Qualität.
Text: Christine Läubli
Bilder: Falls nicht anders angegeben Christine Läubli
Informationen
9. Europäische Quilt Triennale
Bis 14. September 2025
Textilmuseum St. Gallen
Vadianstrasse 2
9000 St. Gallen
Öffnungszeiten: Di bis So 10-17 Uhr
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