Fein – Textilkunst im Kunst(Zeug)Haus Rapperswil
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Im Kunstzeughaus Rapperwil (ZH) ist bis anfangs April 2026 eine kleine feine Ausstellung zu sehen. Die Kurator Florian Hürlimann hat aus der «Sammlung Bosshard» des Kunst(Zeug)Hauses Werke mit einer sinnlichen und haptischen Materialität ausgewählt – es überrascht nicht, dass der Fokus auf dem Textilen liegt.
Empfangen werden die Besucher durch eine Taschenkollektion von Benoît Billotte (*1983). Es sind billige, karierte Plastiktragetaschen, wie sie bei Grossanbietern zu erwerben sind, praktisch für Einkauf, Umzug oder auf Reisen. Was von weitem wie eine Stickerei aussieht, ist mit Lasercut ausgeschnitten. Das Muster verweist auf die kunstvoll gestalteten Gitterfenster der arabischen Baukunst, die den Blick hinaus erlauben, ohne dass sich die Voyeuse zeigen muss. Ein Spiel mit Innen und Aussen, das sich übertragen lässt: Was verbirgt sich im Innern der Tasche? Die Neugierde ist geweckt.

Klein und fein ist die winzige Installation von Erwin Gloor (*1941). Inspiriert vom Licht, beschränkt sich der Maler seit Jahrzehnten auf die beiden Stellvertreter Gelb und Blau – Gelb steht für das Licht und Blau für den Schatten. Wie in einem pointilistischen Bild bringen sich diese Farben gegenseitig zum Leuchten. Hier materialisieren sie sich in kleinen, abstrakten Formen, die sich wie schillernde Tropfen im bewegten Wasser umkreisen.

Heidi Buchers (1926-1993) Arbeit erinnert an eine ledrige Haut. Erst die Sicht gegen das Licht lässt eine Schürze erkennen. Nach ihrer Rückkehr aus den USA bezog die Künstlerin das Untergeschoss einer ehemaligen Metzgerei als Atelier. Dort entstanden ihre ersten Häutungen: Sie bestrich die Eingangstür und die Wand des Kühlraums mit Latex und zog die erstarrte Membran wieder ab. Auch Gegenstände und Textilien ihrer Familie tauchte sie in flüssigen Latex und konservierte und transferierte so die Erinnerungen.

Zwei Werkgruppen von Christian Rothacher (1944-2007) sind in Zusammenarbeit mit Brigitt Lattmann (*1963) entstanden. Sie überraschen mit einer augenzwinkernden Tiefgründigkeit. Bei der einen meint man von weitem ein aufgefaltetes Handtuch und eine ebensolche Serviette zu sehen; der nähere Blick offenbart dann aber, dass Stoff und Falten nur gedruckt sind und das Bild vollkommen glatt an der Wand hängt. Auch bei den drei daneben hängenden Inkjetdrucken schaut man zweimal hin, bis man erkennt, dass es sich tatsächlich um profane Fleischkäsescheiben handelt, die da in überdimensionaler Grösse im Raum baumeln und genüsslich jedes Pfeffer- und Fettkorn darbieten. Metzger- vereint sich mit Textildruckkunst.

Leicht, zerbrechlich und doch materiell-robust zieht Erica Pedrettis (1930-2022) Objekt den Blick auf sich. Ein Blatt, ein Flügel, ein Vogel, ein Flugobjekt? – unwichtig. Man sieht es schweben, steigen und fallen und ist zutiefst berührt. Erica Pedretti war sowohl Schriftstellerin, Malerin als auch Objektkünstlerin. Die eigene Biografie, die Herkunft aus dem kriegsversehrten Mähren und der Umzug in die «heile» Schweiz prägten sie tief. Trotzdem sind ihre Objekte und Installationen voll spielerischer Poesie. Die Grundlage für ihr Werk war das «unerzogene Auge», durch das sie einen unverstellten Blick auf die Welt suchte.

Leise bewegen sich die federleichten Stoffbahnen im Raum. Erst wenn man sie aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, werden darauf lebensgrosse Frauengestalten sichtbar. Thematisiert Marlies Pekarek (*1957) mit ihrer Werkgruppe die Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit der Frauen in der Gesellschaft (wie (vor)schnell interpretiert man doch aus der eigenen Zeit heraus…)? Oder sind es Gespenster, die sich erst bei verschwindendem Licht bemerkbar machen? Die Künstlerin fand ihre Inspiration in der Zeitschrift Vogue, in den stark geschminkten Models, die sie an tanzende Spukgestalten erinnerten. Hier sind die Frauen anonym, seltsam entrückt und nicht fassbar – freundliche, aber auch etwas unheimliche Zeitgenossinnen.

Verena Brunners (*1945) Gewebe sind hauchdünn. Die Fasern scheinen organisch zusammengewachsen, die Farben fangen das Licht auf subtile Weise ein und lassen es flimmern. Die Nylonkette bleibt sichtbar, die Sisalschussfadenenden werden nicht vernäht, sondern stechen wie Gräser aus der Fläche heraus. Die eine Arbeit ist von Italien inspiriert. Sie thematisiert zwar Syrakus, ist aber nicht einfach eine Ansicht des antiken Ortes, sondern eher ein traumhafter Blick in die Vergangenheit. Säulen, Mauerblöcke ragen hervor, einzelne Elemente, die sich zum Ort der Erinnerung verdichten. Der Blick in die frühere Zivilisation strahlt eine magische Kraft aus, der man sich nicht entziehen kann.

Ausser den erwähnten Kunstschaffenden sind auch die folgenden vertreten: Sagil Ilyas Md. Amin, Francisca Javiera Montecino Mack, Meret Oppenheim, Flavio Paolucci und Anne Sauser-Hall.
Text und Fotos: Christine Läubli (Quellen: Ausstellungsblatt und Werktäfeli)
Information:
fein
bis 5. April 2026
Kunstzeughaus
Schönbodenstrasse 1
CH-8640 Rapperswil-Jona
Öffnungszeiten:
Mi 14-20 Uhr, Do 14-17 Uhr, Fr-So 11-17 Uhr
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