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Im Dialog mit dem Pinselstrich

Schon immer war die Textilgestalterin Irene Brühwiler fasziniert von historischen Textilien und einzigartigen Stoffen. Es interessiert sie, wie man schadhafte Stellen ausbessern und wertvolle Stücke restaurieren kann. So wuchs ihr Interesse am Sticken, Flicken und Nähen. Seit Jahren sammelt sie besondere Gewebe und Kleider. Diese dienen zum Studium textiler Techniken und sind Ausgangspunkt für Neues.


Um in die Kunst des Stickens einzutauchen belegte Irene vor zwei Jahren einen ersten Kurs bei Margrit Bleiker. Dort lernte sie die Techniken und Zusammenhänge kennen – eine faszinierende neue Welt ging auf! Doch bald hatte sie das Bedürfnis nach einem freieren Umgang mit der Nadel. Auf diesem Weg gab die Begegnung mit Barbara Wälchli neue Impulse. Während Monaten rang die Textilkünstlerin um ihren Ausdruck mit der Sticknadel, suchte freie Formen, offenere Interpretationen und ihren eigenen Stich. Das Thema des Stickgrundes war ihr wichtig – sie suchte die Reibung mit etwas Bestehendem.

Irenes Partner Andreas Hofer ist Künstler. Wenn er malt, streift er die Pinsel an alten Stofflappen ab, auf denen die bunten Farben – im Gegensatz zum oft akribisch genauen, eigentlichen Werk – frei angeordnet erscheinen. Inspiriert hob Irene die Mallappen auf, ohne zunächst zu wissen wozu. Langsam reifte Ihre Idee. Sie gab ihrem Mann neue Reststoffe, steuerte Grösse, Format und Struktur. Die ersten Stickarbeiten enthielten vor allem suchende Bewegungen, die eine Stelle betonten, um dann zur nächsten zu streifen. Mit der Zeit fand Irene zu reduzierten, einfachen Linien. Sie ging von dem aus, was da war, griff ein, arbeitete Akzente heraus – rang um den Dialog von Stickerei und Grund. Mit einer strengen Einteilung von waagrechten und senkrechten Linien machte sie den Stoff noch mehr zum Bild, in dem einzelne Partien bewusst gerahmt wurden.

Wenn der Künstler mit schwarzer Tusche malt, ergeben sich reizvolle Lappen in Schwarz und Weiss. Auch hier war am Anfang die Qualität des Stickfadens eine besondere Herausforderung. Glänzende Fäden erzielten Licht/Schatteneffekte, steife hoben die Stickerei ins Dreidimensionale, sich auflösende ergaben eine besondere Weichheit in der Textur. Wie intensiv darf die Farbe des Stickfadens sein, so dass Faden und Grund sich gegenseitig steigern? Die Eingriffe sollten weder dominieren noch untergehen. Was braucht es, was ist zu viel? Suchend, aus dem Unbewussten Zeichen setzend, fand Irene zur eigenen Aussage.

Als Textildesignerin ist für Irene das Kleid ein wiederkehrendes Thema. Darum gab sie ihrem Partner noch grössere Stoffresten und schnitt aus diesen XL-Mallappen die rudimentären Formen von Kleidern. Zusammengenäht, auf der Büste spielt der Fall des Stoffes ebenfalls mit. Erst in dieser Phase begann Irene nach stickenden Antworten zu suchen. Anfangs war die Stickerei ein zusätzliches Element, beim letzten Kleid ist sie funktional und hält die Schnittstücke zusammen. Das Kleid wird zur Skulptur.

Vom 10. Oktober bis zum 20. November 2021 stellte Irene Brühwiler zusammen mit Andreas Hofer in der Galerie am Platz in Eglisau ZH aus. Die grossen, zartbunten Bilder korrespondierten mit Irenes Stickarbeiten – ein eindrücklicher Dialog des Künstlerpaares auf Augenhöhe!


https://www.vivaeglisau.ch/galerie-am-platz Text: Christine Läubli Fotos: Irene Brühwiler und Andreas Hofer

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