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TAFch wünscht schöne Weihnachten und alles Gute im neuen Jahr!


Diesen Engel habe ich im November 2021 bei Lisbeth Tschudi in der Kunsthandwerkausstellung Glarus gekauft. Sie erzählte, sie habe kistenweise Posamenten geerbt, die sie nun kunsthandwerklich verarbeite.


Das Engelchen erinnert mich an eine Führung vor 16 Jahren durch die Herma Posamenterie AG, Adliswil ZH. Der Besitzer Peter Hermann zeigte uns seinen einzigartigen Betrieb, in dem er zusammen mit vier Angestellten kunstvolle Unikate herstellte. Die alten Saurer-Webstühle stammten aus den 1960er Jahren, andere waren noch älter. Der Jacquard-Bandwebstuhl hatte z. B. 120 Jahre auf dem Buckel; die dazu passenden Lochkarten stanzte Peter Hermann noch selber.


Die Herma Posamenterie AG stellte ausschliesslich Unikate her. Ihre Kunden verwendeten die Bänder, Borten, Tressen, Troddeln, Fransen und Litzen als Besatz für Möbel und Vorhänge. In Inneneinrichtungsgeschäften und bei Architekten waren Musterkarten deponiert. Manchmal kamen die Kunden auch mit einem Stoffmuster, zu dem sie die passenden Posamenten benötigten. Dann stellte Peter Hermann aus den Farbtönen der unzähligen Garnrollen seines Lagers wie ein Maler die passende Palette zusammen. Im Büro wurden nicht nur Schreibarbeiten erledigt, sondern auch feinste Posamenten-Handarbeiten ausgeführt – z. B. entstanden hier eben solche Quasten, aus denen Lisbeth Tschudi heute Engelchen fertigt.


2013 übernahmen Imma Pichierri und Evelyn Moser-Gloor den Maschinenpark und das Material der Herma Posamenterie und transferierten die Firma nach Lenzburg, wo sie seither unter dem Namen Herma GmbH die Posamenten-Herstellung fortführt. Sie reagieren ausschliesslich auf Kundenwünsche und sind noch der einzige Betrieb in der Schweiz, der sich dem alten Handwerk widmet.


Früher hatte die Posamenten-Herstellung einen ganz anderen Stellenwert. Im 16. Jahrhundert befand sie sich im Aufschwung, die barocke, opulente Kleidermode verhalf ihr zur Blüte. Frauen durften bei der Herstellung allerdings nur zudienen, an den Webstühlen arbeiteten ausschliesslich Männer. Für heutige Ohren klingen die Spezialberufe der Posamenterie kurios: Bommelmacher, Gorler, Gorlnäher, Gürtelwirker, Knopfmacher, Metallfadenwirker, Quastenmacher, Schleiermacher, Schnürmacher, Tressenwirker ...


Bis ins 20. Jahrhundert fanden die Posamenten in der Inneneinrichtung noch häufig Verwendung. Doch Veränderungen in Mode und Gesellschaft führten dazu, dass das Handwerk immer weniger gefragt wurde und in Vergessenheit geriet. Schon seit Jahrzehnten gibt es in der Schweiz keine Ausbildungsplätze mehr. Demonstrationen der Bandweberei bieten das Museum BL in Liestal oder das Freilichtmuseum Ballenberg.


Text und Foto: Christine Läubli


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