
Noch bis zum 21. August 2022 zeigt Daphne Ahlers im Kunsthaus Glarus überraschende Objekte. Die in Berlin lebende Künstlerin arbeitet im Spannungsfeld männlich / weiblich. Als Symbol für die Männlichkeit wählt sie die Schamkapsel, die Schleife verbinden wir mit der Weiblichkeit. Auch wenn Schamkapseln und Schleifen in heutigen Augen eindeutig männlich bzw. weiblich konnotiert sind, war das nicht immer so. nz klar männlich war und ist die Schamkapsel. Der eine Ursprung war die Brayette oder Braquette, eine ovalförmige Metallplatte, die das Geschlecht des Ritters abschirmte und sich beim Urinieren und Reiten leicht abnehmen liess. Bis dahin hatten Harnisch und Kettenhemd die Genitalien nur ungenügend geschützt.

Eine Fortsetzung dieser Funktion finden wir bis heute im Fechtsport. Der andere Ursprung lag gegen Ende des 15. Jahrhunderts in der Mode, welche kürzere Wämser verlangte. Nun trug man die Beinlinge nicht mehr getrennt als Strümpfe, sondern zusammenhängend als Strumpfhose. Eine Verbindung der beiden Hosenröhren musste geschaffen werden, und wurde in einem Stoffdreieck gefunden, das zugleich die besondere Körperstelle betonte.

Im 15. / 16. Jahrhundert kam die Schamkapsel im Maxiformat gross in Mode. Sie sollte nun die Männlichkeit nicht nur schützen, sondern vielmehr die Potenz und Kraft des Trägers hervorheben.

Im Barock im 17. Jahrhundert erfuhr die Schleife in der männlichen Kleidung einen modischen Höhepunkt. Wo immer möglich fanden sich Maschen. So manche Rockhose oder Jacke bestand schliesslich nur noch aus zusammengeschlauften Bändern.

Im Spätbarock begannen die Damen mitzumachen. Maschen verzierten die hochgetürmten Frisuren, Busenschleifen gaben mehr oder weniger Haut frei, selbst die hochhakigen Schuhe waren mit Schleifen geschmückt.

Im 19. Jahrhundert wurde die Männermode strenger, während die Frauen das erotische Spiel mit dem Band optimierten. Je näher wir der Gegenwart kommen, desto weiblicher konnotiert ist die Schleife.
Ab dem 19. Jahrhundert wurde der Graben zwischen Männer- und Frauenwelt zunehmend grösser. Heute versuchen wir, ihn wieder zuzuschütten: Wenn wir das Patriarchat hinterfragen, untersuchen wir zugleich die Grenze zwischen männlich und weiblich.

In der Ausstellung «Die Würflerin» bringt Daphne Ahlers Schlaufen und Schamkapseln mit anderen symbolisch aufgeladenen Dingen zusammen. Die Künstlerin spielt mit den Gegensätzen hart / weich, metallisch / textil, warm / kalt, biegsam / starr. Sie würfelt zusammen, was vermeintlich nicht zusammengehört, vermischt und konstruiert multiple, geheimnisvolle Objekte und kostbare Hüllen. Manche Schamkapseln erinnern an Muscheln, Wiegen oder Wandschirme – an schützende Formen, welche Empfindliches vor Verletzung bewahren. Einige Kombinationen von Schamkapsel und Schleife erinnern gar an seltsame «Gesichter».

Die hybriden oder androgynen Objekte lassen an historische Umkehrungen denken, an damals, als die männlichen und weiblichen Welten noch anders gestaltet waren als heute, oder an Genderdiskussionen unserer Zeit rund um LGBT*. Sie animieren zu eigenen Geschichten oder verführen einfach zur Freude an den ästhetischen Materialien und Objekten.
Text und Fotos: Christine Läubli Quellen: Modeband – Christian Merian Verlag 2004 Mode, 3000 Jahre Kostüme, Trends, Stile, Designer – Verlag Dorling Kindersley 2012 Kunsthaus Glarus Im Volksgarten CH-8750 Glarus Öffnungszeiten: Di – Fr 12 – 18 Uhr, Sa, So und Ferien 11 – 17 Uhr Die Ausstellung dauert noch bis am 21. August 2022. www.kunsthausglarus.ch